Nichtdeutsche raus!

Cem wurde für die nächste Woche von der Schule befreit, Cems Mutter hatte mit dem Direktor gesprochen, der vollstes Verständnis zeigte und sofort Sebastian holen ließ.
Cem genoss die freie Woche, doch schon während des Frühstücks an seinem freien Montag hatte er eine Idee. Er würde allen beweisen, dass es egal war, woher man kam! Und dazu brauchte er seinen Vater! Also packte er immer, wenn er alleine war, ein paar Sachen unauffällig in einen Rucksack. Seine Mutter bekam davon nichts mit, aber die war auch zu sehr mit Bella beschäftigt. Cem hatte sich inzwischen an den Namen Cemre und Bella gewöhnt und er nannte seine Mutter nur noch selten „Mama“. „Aber wie soll ich Cemre das alles erklären?“, dachte er jedes Mal, wenn er packte. Er überlegte, dann beschloss er, seiner Mutter einfach einen Brief zu schreiben.

….

Es war Freitagabend und Cem legte einen Brief auf sein Kopfkissen:


Liebe Cemre!

Ich fliege nach Hause, in die Türkei, um Papa zu holen. Er ist wichtig, für einen Plan, den ich mir ausgedacht habe. Ich werde ihn dir nicht sagen, erst, wenn Papa und ich zusammen hier in diesem Haus stehen. Bitte, sag der Schule, ich bin krank geworden…Ich weiß nicht, wann ich wieder zurückkommen werde, aber ich denke, noch vor den Ferien. Und die sind ja schon in drei Wochen.
Ich werde dich vermissen und habe dich lieb!

Cem



Er seufzte, dann packte er Flugticket und Tasche und machte sich auf den Weg ins Abenteuer.

„Du? Nein! Du fliegst nicht allein in die Türkei, das ist verboten, Junger Mann!“, sagte eine junge Frau am Schalter, doch Cem lächelte. „Ich habe die Bescheinigung von der Schule“, sagte er und reichte sie der Frau. Er hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er die Bescheinigung gefälscht hatte. Aber er würde alles dafür geben, damit sein Plan aufging. „Na, wenn das so ist. Los, in den Flieger mit dir“, nickte die Frau und wandte sich von ihm ab. Cem nahm die Bescheinigung mit, es würden wahrscheinlich noch ein paar Leute mehr sehen wollen, dass er die Genehmigung von der Schule bekommen hatte. Er kam problemlos durch den Zoll, die Beamten waren äußerst freundlich und gut gelaunt. „Oh! So ein junger Passagier und dann noch alleine. Zeig mir bloß keine Bescheinigung, meine Tochter bringt ständig welche mit heim“, grinste der größere der beiden. Alle drei fingen an zu lachen.

….

Cem ließ sich in den Sitz plumpsen. Uff! Geschafft. Plötzlich bemerkte er einen Zettel in seiner Tasche. Es war eine Karte, die seine Mutter ihm einmal geschenkt hatte, mit den Worten: GLAUB AN DICH!

Das Flugzeug war gelandet. „Wow!“, sagte Cem beim Anblick der vielen Türken ehrfürchtig. Das war seine Familie. Alle waren sie irgendwie miteinander verwandt, hatte seine Mutter einmal gesagt. „He! Kleiner! Was willst du hier?“, schnauzte ihn ein Beamter an – auf Türkisch. „Ähm…Das sieht man doch, oder? Ich will hier in die Türkei“, sagte Cem auch auf Türkisch. Nun mischte sich eine junge Türkin mit einem kleinen Kind auf dem Arm ein. „Guter Mann! Lassen Sie doch das arme Kind in Ruhe! Es ist doch wirklich offensichtlich, was der kleine Junge hier will!“ Der Beamte schnaubte nur und ging einfach. Die Frau, die sich gerade noch für Cem eingesetzt hatte, schenkte ihm ein freundliches Lächeln, ging dann aber auch. Der Junge war verwirrt. Er holte einen Zettel hervor, auf dem

„Kingonderstraße 5“

stand. Cem seufzte. Er war noch nie in der Türkei gewesen. Doch, eigentlich schon. Aber nie alleine. Doch es war ihm egal. Dann würde er sich eben durchfragen müssen. Entschlossen nahm er seine Tasche und machte sich auf den Weg.

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Drei Stunden später stand Cem vor einer kleinen Hütten. Hier sollte sein Vater leben? Er war doch auf Geschäftsreise! Oder hatte seine Mutter etwa…? Nein, das konnte, wollte und würde er nicht glauben. Er klopfte an die morsche Tür. „Ja?“, grummelte jemand von drinnen. Ein unrasierter, ungewaschener Mann in fleckigen Klamotten stand vor ihm. „Ich bin Cem und suche meinen Vater“, sagte Cem zögernd. „Name der Mutter?“, raunzte d er Fremde. „Ce…Ce…Cemre“, stotterte Cem verwirrt. „Reinkommen“ Cem kam unwillig herein. „Ich bin dein Vater, Cemal“, sagte der Mann. „Cem“ „Wie?“, Cems Vater schien verwirrt. „Ich heiße Cem“, erklärte Cem. „Ach so, ja ja. Ich bin Abdul“, sagte Abdul. „Ich weiß. Ich kenne den Namen meines Vaters. Aber…warum sitzt du nicht in einem schicken Hotel und machst eine Geschäftsreise? Außerdem müsstest du schon längst zurück sein. Seit einem halben Jahr schon!“, forderte Cem nach Erklärungen. „Ich mache keine Geschäftsreise, Kleiner. Deine Mutter hat mich rausgeworfen. Und ich habe ihr gesagt, falls sie eines Tages zu mir zurückkommen will, muss sie ihren Sohn alleine schicken. Als Beweis. Denn die Türkei ist meinem Viertel sehr gefährlich.“, sagte Abdul scharf. „Und sie will mich wieder, wie ich sehe! Aber ich will sie nicht wieder! Sie ist eine verlogene, kleine Ratte. Also: Raus hier!“, donnerte er. „Aber…Ich…halt, das ist ein Missverständnis…Mama…also, Cemre…“, stotterte Cem, doch Abdul packte ihn am Kragen und setzte ihn vor die Tür.
Cem fluchte. Er wanderte nun eine Viertelstunde lang die Straßen auf und ab. Warum war er nur in die Türkei gereist. Niemand wollte ihn hier. Sein Vater hatte ihn als Beweis von seiner Mutter gefordert und Cem wusste nichts davon. Seinem Vater war egal, wie Cem zurechtkam. Cem bollerte gegen die Tür. „Abdul! Ich bin nicht da, um den Boten für Cemre zu spielen! Ich bin da, weil ich von zu Hause fliehen muss! Ich werde gemobbt!“, schrie er. „`Ne bessere Lüge fällt dir nicht ein, oder was?“, schnauzte Abdul ihn an. Cem war am Boden zerstört. Das durfte nicht wahr sein. Plötzlich ging die Tür auf und Abdul stand vor ihm. Cem schöpfte neue Hoffnung. Doch dann sauste eine Faust auf ihn zu. Er konnte gerade noch so ausweichen. Er hatte gehofft, sein Vater würde ihn aufnehmen. Doch aus einer Unterkunft wurde nichts. Er hatte kein zu Hause.